Zurück zur Vielfalt
Vor 25 Jahren löste die Idee der Erlebnis- und Gasthausbrauereien einen weltweiten Trend zurück zur Biervielfalt aus. Bier direkt vor den Augen der Gäste zu brauen und damit das Interesse am Brauprozess zu wecken ist das Konzept, das inzwischen von vielen dieser kleinen Brauereien weiterentwickelt wurde. So auch vom Bayerischen Bahnhof in Leipzig.
Erlebnisgastronomie ist zweifelsfrei Trend. Ob Spanier, Japaner oder Inder – in der Küche hat sie sich durchgesetzt. Das Gericht, das der Gast bestellt, wird vor seinen Augen auf möglichst spektakuläre Weise zubereitet. Und was der Koch kann, kann der Braumeister schon lange. So schießen jedes Jahr immer mehr Gasthausbrauereien wie Pilze aus dem Boden. Pro Jahr sind es zwischen fünf und acht neue Gastronomien in Deutschland. Was vor der Industrialisierung Standard war und dann wegen zu teurer Kühlanlagen ausstarb, ist heute wieder möglich und “in”. Doch die Braukessel stehen nun nicht mehr im Keller oder Hinterhof, sondern gut sichtbar im Gastraum.
Back to the roots
Reinhold Schadt war der erste Gastronom in Deutschland, der 1985 den Schritt wagte, sein eigenes Bier vor den Augen der Gäste zu brauen und in seiner Gastronomie auszuschenken. So war das Bierbrauen keine anonyme Angelegenheit mehr, sondern ein Erlebnis für jeden Gast, der das Bier plötzlich mit allen Sinnen genießen konnte. Dazu kommt das Gefühl ein individuelles Bier vor sich zu haben, dass sich nicht nur geschmacklich von dem “Einheits-Gebräu” der Großkonzerne abhebt. Für den Gastronom liegt der Vorteil ganz klar darin, dass er sein Bier auf diese Weise immer weiter den speziellen Wünschen seiner Kunden anpassen kann.
Geschichte ist Trend
Die Gasthaus und Gosebrauerei Bayerischer Bahnhof befindet sich im ältesten erhaltenen Kopfbahnhof der Welt in Leipzig. Seine goldenen Zeiten erlebte der Bahnhof im Jahre 1875, als rund eine Million Passagiere von dort abreisten. Der Bahnhof galt als Leipzigs “Tor in den Süden” bis zu einem Bombenangriff 1944, der den ihn fast vollständig zerstörte. Kurioserweise lief der Bahnbetrieb weiter. Nach Ende des Krieges fehlten die Mittel um das Gebäude zu sanieren, doch alle Abrisspläne konnten verhindert werden bis der Bahnhof 1979 unter Denkmalschutz gestellt wurde. 1999 erklärten sich die Deutsche Bahn AG und Brauereibesitzer Thomas Schneider bereit, den Komplex zu sanieren und eine Gasthausbrauerei einzurichten. Nach 14 Monaten Bauzeit wurde der Bayerische Bahnhof dann im Jahr 2000 endlich wiedereröffnet. Diese Historie prägt das Konzept der Gasthausbrauerei mit ihren vielen Angeboten und Veranstaltungen.
Regionale Spezialitäten
Die Gose ist eine Leipziger Bierspezialität, die der Bayerische Bahnhof wieder bekannt gemacht hat. Ein obergäriges Bier, das sich durch seinen leicht säuerlichen Geschmack auszeichnet und damit ein hervorragender Durstlöscher ist. Matthias Richter ist seit 2003 Braumeister des Bayerischen Bahnhofs und braut neben den vier Standard-Bieren Gose, Heizer (Schwarzbier), Kuppler (dunkles Weizenbier) und Schaffner (Pils) auch Saison-Biere wie Maibock, Rauchbiere oder Porterbiere. Doch die Hauptrolle spielt die Gose: “Sie war in Leipzig früher das am meisten getrunkene Bier. So wie Kölsch in Köln. Sie ist am besten mit der Berliner Weiße zu vergleichen und wird ebenso gerne mit Sirup oder Fruchtsäften gemischt”, erklärt Frank Wiegand (38), stellvertretender Geschäftsführer des Bahnhofs. Dieser regionale Bezug gehört zum Erfolgsrezept jeder Gasthausbrauerei. Die Gäste kommen, weil sie das Besondere in ihrem Umfeld suchen. Auch wir tragen bald unseren Teil zum Erfolg des Bayerischen Bahnhofs bei. Bislang ließ er seine Kegs extern reinigen. Doch im Juli fiel die Entscheidung zum Kauf einer unserer halbautomatischen Keg-Reinigungsmaschinen, deren Auslieferung im Oktober geplant ist.
Gegen den Strom
Der Bayerische Bahnhof erreicht zur Zeit einen Jahresaussstoß von ca. 2000 hl, die zu über 90 Prozent von Lokalgästen getrunken werden. Die Räumlichkeiten des historischen Bahnhofs dienen heute als Gesellschaftsräume. “Der Bahnhof ist sowieso schon eine Sehenswürdigkeit in Leipzig. Das Thema Ambiente im italienischen Renaissance-Stil und die Traditionsmarke Gose passen einfach hervorragend zusammen”, so Wiegand, “wir bieten den Leuten eine Alternative zu den Bieren der beiden Großhersteller, die es in Deutschland noch gibt”. Der Trend sei also gegenläufig, was aber nicht bedeute, dass jede Gasthausbrauerei Erfolg versprechend sei. Ein gutes Konzept und ein hochwertiges Bier sind einfach unabdingbar und nur Gasthaus- oder Erlebnisbrauereien, die dies berücksichtigen, steuern etwas zur Wiederauferstehung der Biervielfalt bei.